Ohren? Stopfen!

Unser Gehör ist der Umgebung nahezu schutzlos ausgeliefert. Während uns die Augenlider im Schlaf vor der Helligkeit abschirmen, hören wir den vorbeirumpelnden Las-ter ungedämmt. Lärm aktiviert uns. Laute Geräusche beschleunigen den Puls, rhythmische Klänge lassen uns im Takt wippen, gesprochene Worte zwingen uns zum Mithören.

Geräusche werden vom Einzelnen unterschiedlich bewertet. Rockkonzerte bringen manchen lustvolle Schauer, anderen sind sie schlicht ein Gräuel. Ein Schuss klingt dem Schützen wie Musik in den Ohren, den Unbeteiligten versetzt er in Angst und Schre-cken. Zuviel Lärm macht krank. Von der morgendlichen Frühstücksberieselung über die laute Fahrt zur Arbeit bis hin zum Bier in der Kneipe herrschen Schallpegel, die den Organismus ständig mobilisieren.

Nachts stört der Autoverkehr die Erholung. Mediziner erklären den unablässigen Krach mittlerweile zur Umweltverschmutzung Nr. 1. Hoher Blutdruck, Nervosität und Konzentrationsstörungen sind die kurzfristigen Folgen. Tinnitus, Schwerhörigkeit und Hörsturz die langfristigen. Schützen erzeugen ordentlich Krach. Ein Pistolenschuss liegt mit bis zu 150 dB oberhalb der Schmerzgrenze und ist nur mit üppigen Kapseln zu ertragen. Sogar das harmlose Luftgewehr bringt beim Abschuss kurzfristig 85 dB und liegt damit auf dem Niveau des Schwerlastverkehrs.

In der Industrie ist von diesem Pegel an das Tragen eines Gehörschutzes vorgeschrieben. Schützen sollten ihre Ohren stopfen, damit sie ihre Tagesdosis an Beschallung gering halten. Dann können sie abends besser schlafen und später ihre Enkel noch verstehen. Wer mal versucht hat, sich mit älteren 300-Meter-Füsilieren zu verständigen, weiß, was ich meine. Schützen sollten ihre Ohren stopfen, um Reflexe zu vermeiden. Wer beim Schuss "zockt" oder die Augen zukneift, versaut sein Ergebnis. Schützen sollten ihre Ohren stopfen, um konzentriert zu bleiben.

Der Lärm rundherum erhöht ansonsten die Erregung. Manches einfältige Gerede von hinten wird ausgeblendet. Das schont die Seele und die Psyche. Schützen sollten ihre Stände schallmindernd bauen, um die eigenen und die Ohren der Nachbarn weniger zu strapazieren. Praktisch alle Schützen der Spitzenklasse verwenden obligatorisch Ohrenstopfen, viele stülpen zusätzlich einen Kapselschutz darüber. Auch beim LG-Schießen, wie etwa Artem Khadjibekov, der Olympiasieger und Weltmeister. Kurzum: Ungeschützter Schießverkehr ist nicht männlich, sondern dämlich. Und verhagelt, schlimmer noch, das Resultat. Ohrenstopfen sind unangenehm und Kapseln sehen überdies blöde aus. Man versteht nichts mehr, in den Gehörgängen wird es stickig. Das stimmt.

Wie bei anderen Verhütungsmitteln muss man sich an lustmin-dernde Nebenwirkungen erst gewöhnen. Punkt. Vergleicht man aber verschiedene Gummi-Pfropfen, so findet man bald geringere Übel.Verschiedene Formen passen gut und besser in deinen Gehörgang und sitzen dann bequemer. Es gibt billige Stopfen mit rauer Oberfläche und bessere mit glatter Außenhaut, die bei mehrmaligem rein und raus keine "Schürfungen" hinterlassen. Stöpsel der neuesten Generation sind mit speziellen Filtern bestückt. Die sind luftdurchlässig und erhalten die Ventilation im Gehörgang. Damit entfällt auch der Druckaufbau beim Einführen. Du hörst deinen Puls nicht mehr und das Klima bleibt frisch. Weitere Vorteile der "intelligenten" Filter sind variable Dämpfung und die Ausblendung bestimmter Frequenzen.

Damit kann der Trainer sich weiter verständigen, der Schütze aber gerade die Stimmlagen ausblenden, um geschwätzige Zuschauer zum Verstummen zu bringen. Ausreichend ist die Dämmung deiner Stöpsel, wenn du beim Knall des Schusses nicht mehr das geringste Augenzucken zeigst. Der Trainer überprüft das durch den regelmäßigen Blick ins Auge seiner Schützlinge. Mit Ohrenstopfen muß man sich anfreunden. Probiere sie beim Autofahren oder im Bus, dann wirst du dich wundern, wieviel entspannter du ankommst. Trage sie nachts, wenn dich der Lärm von draußen wach hält. Du wirst "sehen", wie gut man mit den Stöpseln träumt. Beim Schießen solltest du "stöpseln", sobald deine Konzentration auf das Training oder das Match beginnt.

Die Dämmung ist ein Signal für die anderen, dich nicht mehr anzusprechen. Und ein Signal für dich: jetzt beginnt die Konzentrationsphase, von jetzt an isolierst du dich vom Rundherum und wendest dich dem Schießen zu. Mit Gehörschutz bist du selbst in einer Feuerlinie mit 50 anderen ungestört. Nur noch dein Handeln und Denken bestimmen das Geschehen. Nachher öffnest du die Ohren wieder, um ins Geschehen zurück zu kehren. Bestimmt hast du Aufregendes zu erzählen und kriegst Unglaubliches zu hören. Nach der Stille tut es gut, wieder Stimmen zu hören...