Herz-Flattern?

von Gaby Bühlmann

Der Herzschlag ist die treibende Kraft im Körper. Mit 40 bis 200 Schlägen treibt er das Blut durch die Gefäße. Um die Zellen und Organe zu versorgen und um Verbrennungsrückstände zu beseitigen.

Im Stehend-Anschlag ist das Pulsieren ziemlich unangenehm.

Je schneller und heftiger die "Pumpe" arbeitet, desto unruhiger liegt das Gewehr. Weil der Brustkorb die Kontraktionen des Muskels auf den Schaft überträgt, gerät die Büchse in Schwingungen. Die kann man in Zielwegdarstellungen als rhythmische Ausschläge erkennen.

Der Schütze tut deshalb gut daran, Kontakte zwischen Oberkörper und Schaft zu vermeiden. Insbesondere die Berührung des Pistolengriffs mit dem Brustkasten ist problematisch. Einerseits wird diese Anlehnung von der Sportordnung untersagt. Wenngleich nur sehr aufmerksame Kampfrichter diesen Verstoß überhaupt erkennen, solltest du ihn grundsätzlich vermeiden. Denn gerade an dieser Stelle wird der Pulsschlag recht massiv übertragen. Besonders im Wettkampf, wenn Geschwindigkeit und Intensität der Schläge zunehmen. Notfalls hilft der Einsatz einer Holzfeile an der linken Unterseite des Griffs. Das vergrößert den Abstand zur Schießjacke und beseitigt damit die Hauptquelle der Impulse.

Auch ohne Berührungen zwischen Griff und Brustkorb bleiben ohnehin genügend Verbindungen zwischen dir und deinem Gewehr. Über die rechte Flanke des Oberkörpers und über den linken Oberarm wirken sich die Blutstöße in den Arterien auf die Haltekurve aus. Diese sanften "Wogen" spürst du kaum noch, weil du dich im Training und in harmlosen Wettkämpfen an diesen Rhythmus gewöhnt hast.
Aber wehe, wenn’s mal etwas schärfer zur Sache geht. Bei einem wichtigen Match, bei höheren Temperaturen oder sobald entscheidende Schüsse anstehen. Dann schlägt das Herz heftiger, du fühlst es in der Brust. Und schlimmer noch, es versetzt das Ringkorn in sichtbare Turbulenzen.

Wer häufiger wichtige Finals schießt, ist mit solchen Stromschnellen vertraut. So sehr sie den Schützen am Anfang auch verunsichern, sie lassen sich meistern. Ein wichtiges Gegenmittel ist deine Ausdauer, der Trainingszustand deines Herzens und deines Kreislaufs. Je kräftiger deine Pumpe durch körperliche Belastungen ausgebildet ist, desto später gerät sie in den Bereich höherer Drehzahlen. Schützen sollten aus diesem Grunde viel für ihre Ausdauer tun. Vier- bis fünfmal pro Woche heißt es in der Zwischensaison "radeln" oder laufen, in der Wettkampfphase sollten mindestens 2 Tage für die Fitness eingeplant werden. Aber damit nicht genug. Selbst ein gut trainiertes Herz hat im Stress noch genügend Triebkraft, um dein Gewehr nachhaltig zu beunruhigen. Um diese Störungen zu beseitigen, heißt es abwarten. Einfach im Voranschlag dastehen und langsam atmen, bis der Puls langsamer und sanfter wird.

Ich habe mit meiner Pulsuhr nachgemessen und bin zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Direkt nach dem Einsetzen, wenn das Gewehr vom Stativ zur Scheibe bewegt wird, liegt die Frequenz bei ca. 110 Schlägen pro Minute. Einige flache Atemzüge später sind es nur noch 100, 80 und schließlich etwa 70 Kontraktionen. Beim Zielen werden die Schläge nochmal ruhiger, die Pulsuhr sinkt auf 68 - 64 Schläge. Jetzt liegt das Gewehr ruhig, zwischen zwei Impulsen bleibt fast eine Sekunde. Genügend Zeit, den Schuss sauber auszulösen!

Nach dem Schuss schlägt das Herz sofort wieder schneller. Das Einatmen gibt der Pumpe einen Anschub, die Sauerstoffreserven müssen wieder aufgefüllt werden. So befindet sich die Pulsfrequenz während des Schießens auf ständiger Berg- und Talfahrt. Du mußt lernen, nach dem Einsetzen genügend lange zu warten, bis die Intensität der Schläge nachlässt. Schaffe dir eine Pulsuhr an, damit du den Effekt mit eigenen Augen siehst und ihn im Training einstudieren kannst.
Viele Schützen brauchen im Wettkampf, gerade bei heiklen Schüssen, mehr Zeit bis zum Abziehen. Die Ursache sind nicht unbedingt "schlechte Nerven". Viel häufiger ist es die noch zu hohe Herzfrequenz, die uns vom Auslösen abhält. Das Gewehr wackelt einfach noch zu stark.

Am besten begegnet man diesen "Hemmungen", indem man nach dem Einsetzen etwas mehr Zeit verstreichen lässt. Aber nicht beim Zielen, sondern im Voranschlag, solange das Auge noch über dem Diopter ist. Da kannst du bequem weiter atmen, bis sich das Herz auf niedrigere Schlagzahlen eingependelt hat. Erst danach senkt sich das Auge in die Visierung.
In Ruhe abwarten, bis sich die Wogen gelegt haben. Das ist meine wichtigste Strategie, um im Wettkampf Gewehr und Nerven im Zaum zu halten. Probier’s mal aus, es klappt fast immer...

Gut Schuss wünscht Ihnen Gaby Bühlmann